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Wir Gästeführer sind schließlich auch nur Menschen

Eine historische Altstadt (Görlitz) mit einer großen doppeltürmigen, gothischen Kirche im Zentrum, links daneben eine Steinbrücke, die über einen Fluss (die Neiße) führt.

Wir Gästeführer sind schließlich auch nur Menschen

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Jakob Richter im Interview

Jakob, du bist einer der jüngsten Gästeführer in der gesamten Oberlausitz. Wie bist du dazu gekommen, Führungen durch Görlitz anzubieten?

Der Stein des Anstoßes war eine Annonce in der Zeitung, die für die Gästeführerausbildung in Görlitz geworben hat. Mehr brauchte es eigentlich auch nicht, um mich zu begeistern – ich habe mich schon immer sehr für meine Heimatstadt Görlitz interessiert und außerdem sind Fremdsprachen ein großes Steckenpferd von mir. Mittlerweile biete ich gelegentlich auch Stadtführungen auf Englisch und Französisch an und das ist auch, was ich mir am Anfang erhofft habe: Ein bisschen Übung außerhalb der Schule im aktiven Sprechen einer Sprache zu bekommen.

Du hast bereits die Gästeführerausbildung angesprochen: Wie lief diese bei dir ab?

In Görlitz gibt es einen Volkshochschulkurs, der die zukünftigen Stadtführer ideal auf ihre Tätigkeit vorbereitet. In meinem Fall bestand der Kurs darin, circa ein Mal pro Monat einen Vortrag zur Stadtgeschichte, der von anderen Stadtführern gehalten wurde, zu besuchen. Das war natürlich praktisch, weil man so die zukünftigen Kollegen auch gleich einmal persönlich kennenlernt. Dazu kommt natürlich auch einige eigenständige Recherche. Dabei wird man aber keinesfalls alleine gelassen! Ich hatte auch die Möglichkeit, so oft ich wollte bei anderen Stadtführungen mitzulaufen, um mir Ideen für meine eigenen Stadtführungen zu holen.

Wenn wir fragen dürfen: Wie lief dann eigentlich deine erste Stadtführung? Konntest du direkt durchstarten, oder steht man beim ersten Mal noch mit Notizzettel vor den Gästen?

Die erste Stadtführung lief schon ziemlich gut. Im Prinzip ist es kein Problem, Notizen zu benutzen, ich habe mich aber von Anfang an dagegen entschieden – ich kann mit freiem Sprechen einfach besser arbeiten. Ein viel größeres Problem als die Führung an sich war meiner Meinung nach zu Beginn, das Wetter und die Temperatur richtig einzuschätzen. Als ich angefangen habe, war es Winter, und da muss man sich teils noch wärmer anziehen als gewohnt, weil man während der Führung auch viel steht.

Welche Tipps würdest du jemandem, der vielleicht bald selbst als Gästeführer vor einer Gruppe steht, mit auf den Weg geben?

Wenn man mit einer positiven Einstellung in die Führung hinein geht, kann eigentlich gar nicht so viel schief gehen. Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass man gut vorbereitet ist und man Spaß an seiner Tätigkeit hat, läuft der Rest fast von selbst. Die größte Angst am Anfang ist natürlich immer, dass man eine Rückfrage nicht beantworten kann. Diese Situation hatte ich auch schon. Aber natürlich hat mir der Gast das nicht übel genommen, dass ich seine spezifische Frage nicht auf Anhieb beantworten konnte – wir Gästeführer sind schließlich auch nur Menschen!

Was ist dir wichtig für eine gute Stadtführung?

Eine gute Stadtführung soll Information und Unterhaltung verbinden. Es nützt nichts, 90 Minuten ausschließlich Daten und Fakten aufzuzählen. Mir ist vielmehr wichtig, die Geschichten meiner Stadt aufleben zu lassen. Die müssen nicht einmal 100% wahr und beweisbar sein. In Görlitz beispielsweise gibt es eine mit dem Tuchmacheraufstand zusammenhängende Legende: Um die Aufständischen in eine Falle zu locken, stellte man die Uhr der Dreifaltigkeitskirche um 7 Minuten vor, sodass sie zu früh aus ihrem Versteck kamen und vom Nachtwächter erwischt wurden. Noch heute schlägt die Uhr immer 7 Minuten vor der vollen Stunde. Ob die Uhr damals wirklich 7 Minuten eher geschlagen hat, ist überhaupt nicht bewiesen. Aber solche Geschichten lockern eine Stadtführung unglaublich auf und bleiben in Erinnerung.

Warum würdest du anderen empfehlen, auch als Gästeführer zu beginnen?

Als Gästeführer lernt man unglaublich viel für Vorträge und freies Sprechen im Allgemeinen. In der Schule brauche ich, seit ich Stadtführer bin, eigentlich überhaupt keine Notizen mehr. Und auch später im Studium oder Beruf denke ich, dass mir diese Fähigkeit sehr hilfreich sein wird. Bei mir war wie gesagt auch ein wichtiger Punkt, dass ich gerne mehr in Fremdsprachen sprechen wollte. Man hat kaum so eine gute Chance, in seiner Heimatstadt mit internationalen Besuchern in Kontakt zu kommen, wie als Stadtführer!

Vielen Dank für das Interview!

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